Deutscher Freidenker-Verband e.V., Landesverband Sachsen-Anhalt

Bericht: Eine Stadtführung zum Thema der Entwicklung des Freiheitsbegriffs.

Am 22.08.2020 fand im Rahmen einer Bildungsveranstaltung ab 14:00 Uhr eine thematische Stadtführung in Quedlinburg statt. Das Thema der Führung war Freiheit, die Endwicklung des Freiheitsbegriffs von der Antike bis in die Gegenwart.

Treffpunkt für die Führung war vor dem Quedlinburger Rathaus, am Roland. Es fanden sich 24 Interessenten ein und die Führung begann pünktlich um 14:00 Uhr am Roland und mit dem Roland, welcher einst für die städtischen Freiheiten und Privilegien stand. Allerdings ging es in der Geschichte weiter zurück, wurde doch vom Burgberg aus schon Geschichte geschrieben, als es die Stadt Quedlinburg noch nicht gegeben. Das frei-weltliche Damenstift, welches nach dem Tode Heinrich I. von seiner Witwe Mathilde eingerichtet wurde, hatte auch zur Aufgabe Damen aus hochadligem Hause zu erziehen. Erziehung und Bildung waren zu dieser Zeit eins und so wurden diese Damen nicht nur streng im christlichen Glauben erzogen, sondern es gehörten zum Ende des 10 Jahrhunderts schon Sprachen wie Griechisch und Latein, sowie die freien Künste dazu. Die Damen verfügten über Herrschaftswissen und waren ihren Ehemännern, sofern sie standesgemäß verheiratet wurden, zumindest von der Ausbildung her intellektuell überlegen. Wissen ist Macht, das wusste man damals schon und trug diesem Rechnung, in dem eine zweite solche Einrichtung um 962 in Gernrode gestiftet wurde, auf dem Burgberg war schlicht und einfach kein Platz mehr. Die enge Verknüpfung und gegenseitige Bedingtheit von Bildung, Wissen und Freiheit war zumindest den Herrschenden zu dieser Zeit durchaus bewusst.

Nicht umsonst wurde die Führung wie folgt angekündigt:

Freiheit – durch Raum und Zeit – im Wandel der Geschichte – auf historischen Grund – an historischen Zeugnissen

Freiheitsauffassungen und deren Spuren im Wandel der Zeit!

Bildung als Machtfrage, Herrschaftswissen und die Freiheit es zu nutzen einst und heute.

Eine Zeitreise von den Freien Künsten, über Thomas von Aquin, die rein geistige Freiheit im Katholizismus, über die Ansichten Luthers, dem Kampf des aufstrebenden Bürgertums gegen den Feudalismus, die Philosophie Spinozas, welcher die Freiheit in ein Verhältnis zur objektiven Notwendigkeit setzt. Die französische Aufklärung, neue Erkenntnisse, die klassische deutsche Philosophie, welche das bisher erkannte, einer Kritik unterzieht und wie Kant versuchte mit seiner Auffassung der Freiheit den Fatalismus des mechanischen Determinismus zu durchbrechen. Fichte, Hegel leisten ihren Beitrag und wie die gesellschaftlichen Verhältnisse, entwickelt sich der Freiheitsbegriff weiter, bis zum marxistischen Freiheitsbegriff und wieder zurück!

Freiheit im Spiegel historischen Seins, eng verbunden mit gesellschaftlicher Entwicklung, ihr geschuldet, sie befördernd, es geht durch die Stadt, auf den Spuren gesellschaftlicher Entwicklung, in historischer Substanz manifestiert!

Marx: „11.) Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kommt aber darauf an, sie zu verändern.“

Auf dem Gang durch die Stadt konnte an den verschiedensten Objekten Entwicklungen veranschaulicht werden, so finden sich eine Reihe Spuren bürgerlicher Emanzipationsbestrebungen und -bewegungen. Der Kampf um die Macht, zwischen Adel und Bürgertum hat die verschiedensten Spuren in der Stadt hinterlassen und auch dabei spielte die Bildung eine entscheidende Rolle. Die Entwicklung der Stadt aus dem ottonischen Markt heraus, führte zu ersten Emanzipationsbestrebungen des Bürgertums, es entwickelte sich ein neues bürgerliches Selbstbewusstsein. Zum Ende des 12 Jahrhunderts wurde östlich an die Altstadt angrenzend, durch die Äbtissin eine neue Stadt gegründet. Umbrüche innerhalb der feudalen Gesellschaft und der wirtschaftliche Aufstieg des Bürgertums führten dazu, dass sich die ökonomischen Zentren mehr und mehr in die Städte verlagerten, so auch in Quedlinburg. Die Neustadt fiel im 14 Jahrhundert an die Altstadt, was auch ein Zeichen für zunehmendes bürgerliches Selbstbewusstsein, basierend auf wachsende ökonomische Stärke. Quedlinburg entwickelte sich bis in die zweite Hälfte des 15 Jahrhundert hinein zu einer der größten und mächtigsten Städte Mitteldeutschlands, die Stadt war Mitglied in verschiedenen Schutz- und Handelsbünden, so auch der Hanse. Eines der ersten Schutzbünde zwischen Städte im Land, welches bis 1477 bestand hatte, gründeten die Städte Halberstadt, Aschersleben und Quedlinburg.

Obwohl dies alles von erheblicher wirtschaftlicher Macht und bürgerlicher Freiheit zeugte, musste die Stadt im Jahr 1477 eine gravierende Niederlage gegen die Äbtissin, welche in ihrem Kampf von ihren Brüdern Ernst und Albrecht, den Wettiner Herzögen unterstützt wurde, einstecken. Im Zuge dieser Niederlage wurde die Stadt gezwungen all ihre Privilegien abzugeben und war so über längere Zeit in ihren alten, mittelalterlichen Mauern gefangen. Mit der ehemaligen Größe und Bedeutung ging auch ein Verlust bürgerlicher Freiheiten daher. So dass dieses Ereignis nicht ohne Einfluss auf die weitere Entwicklung gewesen ist, so entwickelte sich Quedlinburg im Laufe der Zeit von einer mittelalterlichen Großstadt, in eine neuzeitliche Kleinstadt.

Diesem Ereignis folgende Entwicklungen gingen ebenfalls nicht spurlos an der Stadt vorüber, so hinterließ die Reformation, mit den verschiedensten Begleiterscheinungen, Adelsaufständen, Bauernkrieg, Klosterauflösungen nach Einführung der Reformation im Stiftbereich, ihre Spuren in der Stadt und im Denken der Menschen. Der dreißigjährige Krieg hinterließ seine Spuren genauso wie die napoleonische Besatzung. Und all diese Ereignisse hatten Einfluss auf die Entwicklung des Denkens und die Weiterentwicklung des Freiheitsbegriffes, jede neue Bewegung veränderte die Erkenntnis der Menschen über Freiheit, jede neue Entwicklung brauchte neue Erkenntnisse, negierte alte, oder restaurierte diese, je nach Gebrauch. Das sich Spuren der verschiedensten Entwicklungen in diesem Zusammenhang auch in Architektur und Stadtstruktur spiegeln, lässt sich gut in Quedlinburg nachvollziehen, ob es Straßenführung und Platzgestaltung, Bauformen des Fachwerks, von der Gotik bis in die Gegenwart, oder Steinbauten von der Präromanik, über Gotik, Renaissance, Barock, Klassizismus, Historismus, Jugendstiel, Expressionismus, Bauhaus, WBS70, HMBQ-Bauweise bis in die Gegenwart sind.

Geschichte und Geschichten zum Thema Freiheit und zur Entwicklung des Freiheitsbegriffes führten durch die Altstadt auf den Burgberg und dort endete nach zwei Stunden für einige Teilnehmer die Führung, 17 Teilnehmer nahmen eine Verlängerung in Anspruch und folgten in die Stiftskirche, einer der besterhaltenen Spätromannischen Kirchenbauten des Landes. Dieser vierte Kirchenbau wurde zum Teil über die alten Kirchenbauten als Kaiserkirche errichtet, sie war zur Weihe die größte und erste Kirche im Reich und ist heute noch geprägt durch eine für die Romanik üppige, an Symbolik reichhaltig und qualitativ hochwertiger Ornamentik. Dort findet sich ein ganzer Teil von Symbolen, welche hierzulande vor christlichen Kulturepochen entlehnt, sowie Symbolik, welche auf die herausragende Bedeutung dieses Standortes im Mittelalter verweist. Auch hier die verschiedensten historischen Zeitzeugen, aus verschiedenen Zeitepochen, aber auch Zeugnisse historischer Bewegungen und Auseinandersetzungen. In der Krypta finden sich die Grablegen von Heinrich I. und seiner Frau Mathilde, Heinrichs Grablege ist allerdings leer.

Nur wie sieht es mit dem Wissen über diese Zeit aus? Eine Zeit, welche eine der Quellenärmsten überhaupt ist! Geschichtsschreibung, was hat sie uns zu sagen, wie wurde sie gebraucht und auch missbraucht? Wurde geschichtliche Entwicklung eventuell im Nachhinein so begründet, dass sie gerechtfertigt und ins Bild passte? Freiheit der Geschichtsschreibung zum Zwecke? Und wie verhielt es sich mit der Heiligenverehrung von Königen Mathilde, das Stift ein Ort der Missionierung, ein politisches, kulturelles Zentrum vom 10 bis ins 13 Jahrhundert hinein und das in jeder Beziehung? In der Krypta finden sich die ältesten Grabplatten (gibt eine Ältere in Merseburg) mit plastischen Darstellungen aus der Zeit um 1100 und ihre Gestaltung zeugt von Größe und Macht der Äbtissinnen, oder die Grabplatte von Agnes II. von Meißen, welche eine Vertreterin der Protorenaissance gewesen und in Lebensgröße dargestellt. Oder der Kirchenschatz mit den verschiedensten Stücken, nicht nur im Wandel der Zeit, sondern auch im Wandel seiner Bedeutung, als Ausdruck herrschaftlicher Freiheit, als Spiegel von Religiosität, deren Entwicklung und sich verändernder Vorstellungen von Freiheit.

Es war ein weiter Weg der Erkenntnis, von den ersten Vorstellungen von Freiheit, über die rein geistige Freiheit des Katholizismus, als Willensfreiheit aufgefasst, des Mittelalters, bis zur Erkenntnis der Freiheit als Verhältnis des Menschen zur objektiven Gesetzmäßigkeit in Natur und Gesellschaft, insbesondere der Grad ihrer Erkenntnis und praktischen Beherrschung. Die Freiheit besteht in der Einsicht in die objektive Notwendigkeit und der darauf beruhenden Fähigkeit, die Gesetzmäßigkeiten der Natur und Gesellschaft mit Sachkenntnis bewusst anzuwenden und auszunutzen, um eine wachsende Herrschaft über sie zu erlangen. Die Freiheit schließt auch die ökonomischen, politischen, rechtlichen und ideologischen Bedingungen ein, die hierzu erforderlich sind, weshalb sie einem geschichtlichen Entwicklungsprozess unterliegt.

Ziel der Führung war es diesen Entwicklungsprozess aufzuzeigen und praktisch zu veranschaulichen, an historischen Spuren und der damit verbundenen Geschichte.

Nach ca. 3 Stunden endete die Führung.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert