500 Jahre frühbürgerliche Revolution in Deutschland
Die Landesverbände Sachsen/Anhalt und Thüringen des Deutschen Freidenker-Verbandes hatten vom DFV-Bundesvorstand die Aufgabe gestellt bekommen, im an Jubiläen reichen Jahr 2017 speziell der lutherischen Reformation zu gedenken, die ihre Zentren in den beiden Ländern hatte. Durch eine große Veranstaltung am 11.November kamen wir dem nach. (Saal-Bild)
Als Ort wurde Eisenach gewählt, weil sich in diesem Jahr auch das Wartburgfest der deutschen Burschen- und Turnerschaften zum zweihundertsten Mal jährte. Zudem haben die Freidenker im Ort eine starke und aktive Ortsgruppe mit großem Einfluß. Die Vorsitzende der Fraktion der regierenden Partei im Stadtrat gehört als Kreisvorsitzende unserem Verband an, die Oberbürgermeisterin ist die Enkelin der langjährigen Thüringer DFV-Landesvorsitzenden.
Außer den beiden DFV-Landesverbänden waren die Thüringer Gliederungen des Humanistischen Verbandes Deutschlands (HVD), der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) und der Arbeitsgemeinschaft Laizismus in und bei der Partei Die Linke Ausrichter der Konferenz.
Bezüglich HVD, gbs und DFV bewährte sich eine Zusammenarbeit, die unter dem Dach des Koordinierungsrates säkularer Organisationen in Deutschland (KORSO) 2017 bereits beim Thüringentag in Apoldaund anläßlich des sogenannten Kirchentages am Weg in Jena wirksam wurde.
Im ersten Konferenzbeitrag widmete sich Horst Groschopp vom HVD dem Luthergedenken einst und jetzt. Er stellte klar, daß es definitiv am 31.10.1517 keinen Thesenanschlag in Wittenberg gegeben haben kann. Erst später verschickte Luther Briefe mit Thesen, die explizit nicht zur Veröffentlichung vorgesehen waren. Allmählich wurde dann der Mythos um das Ereignis aufgebaut. In aller gebotenen Kürze umriß Groschopp die Schwerpunkte des Gedenkens an die Reformation und die Persönlichkeit Luthers, insbesondere auch die blinden Flecken darin.
Luther kam dabei durchaus schlechter weg als im zweiten Beitrag, in welchem Thomas Loch den historischen Kontext erörtete. (Bild)
Folglich nannte sich der Beitrag „Zur frühbürgerlichen Entwicklung in Deutschland“. Der sachsen-anhaltische DFV-Landesvorsitzende fokussierte dabei nicht auf ein einzelnes Ereignis, sondern behandelte die Dynamik des Prozesses und insbesondere, wie sie sich im Quedlinburger Raum niederschlug. Im Prinzip umspannte seine Thematik auch das jeweils halbe Jahrtausend vor und nach dem Jahre 1517. Er zeichnete nach, wie die theologischen Auseinandersetzungen des Mittelalters machtpolitische Kämpfe zwischen geistlicher und weltlicher Macht waren und sich das in der Kunst manifestierte. Desweiteren skizzierte er, welche Klasseninteressen hinter den unterschiedlichen Reformatoren der Lutherzeit wirksam wurden und in ihnen ihre Repräsentanten fanden. Luther war in diesem Sinne die Kraft, die stets das Böse will und doch das Gute schafft.
Entsprechend der Orientierung der Veranstalter waren beide Referate so knapp gehalten, daß für die Diskussion mehr Raum zur Verfügung stand als für die Aufzählung von Fakten, für die umfangreiche Bibliotheken zur Verfügung stehen. Von der Möglichkeit zur Debatte wurde der in unseren Kreisen übliche rege Gebrauch gemacht.
Kunst war nicht nur im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit Waffe, sondern ist es noch heute. Dementsprechend umrahmte die Gruppe um unser DFV-Mitglied Sandra Peschke aus Eisenach mit ihrem Programm musikalisch das Ereignis. (Bild) Dem Publikum wurden insbesondere die Werke, Texte und Gedanken Rio Reisers nahegebracht.
Zum Abschluß des Tages stand im Plan die freidenkerische Stadtführung durch die Wartburgstadt. Diese fand bei strömendem Regen auf Drängen der Unentwegten auch statt. An ihr namen ausschließlich Frauen teil, während es der weniger kampferprobte Teil des Publikums vorzog, im Gasthaus Augustinerbräu zu verharren und bei Kaffee und Bier die großen Fragen der Welt zu diskutieren.
Alles in allem handelte es sich um eine gelungene Veranstaltung. Für das Frühjahr 2018 ist angedacht, ein ähnliches Treffen in vielleicht noch größerem Rahmen im Harz zu absolvieren und außer den genannten Organisationen auch noch niedersächsische Freidenker hinzuzuziehen.
Witold Fischer
Bilder: Witold Fischer