Die Indianer Nordamerikas -die Geschichte eines Völkermordes-
Nach der anfangs noch langsamen aber nachhaltigen Besiedlung der nordamerikanischen Küstengebiete durch Engländer, Holländer und Franzosen wurde nach der Unanhängigkeit der USA die Eroberung des Westens (westlich der Appalachen) in Angriff genommen. Dabei wurden immer wieder auch „biologische“ Waffen eingesetzt. Die von der Regierung beauftragten Agenten lieferten gerne auch mal mit Pocken verseuchte Decken aus den Pest-Häusern der Küstenstädte und ganze Stämme wurden mangels natürlichen Immunschutzes ausgerottet. Erinnern wir uns an die Zeit vor der Unanhängigkeit. 1756 im großen Krieg der Franzosen (Kanada) gegen die Engländer, wurden auch die Stämme im jeweiligen Machtbereich aufeinander gehetzt. Das Skalpieren – eine Technik aus dem schottischen Hochland – wurde zum Inbegriff „indianischer Grausamkeit“. Das die Briten die Indianer mit Schnapsprämien für französische Skalpe köderten – ebenso umgekehrt, wen interessierte das. Nach dem Sieg der Engländer vor Quebec wurde der gesamte Bereich britisch, aber die restriktiven Zollgesetze und andere Unterdrückungsmaßnahmen der Kolonialherren führten wenig später zum Unabhängigkeitskrieg von 1776. Beim nächsten Krieg der USA gegen die Briten (1812) hofften einige der nördlichen Stämme auf Hilfe der in Kanada stationierten britischen Truppen. Tecumseh steht für den verzweifelten Versuch der Indianer, auf diese Weise die vordringenden amerikanischen Siedler zu stoppen. Nach der Niederlage der Briten vor New Orleans und an den Großen Seen wurden die Stämme aufgerieben. Man eroberte Florida von den Spaniern (1819) vertrieb die dort ansässigen Seminolen oder brachte sie gleich um und begann 1820 mit der INDIAN REMOVAL BILL unter Präsident Jackson, mit den Zwangsumsiedlungen der im Mittleren Westen lebenden Indianer-Stämme. Der Spruch „Nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer“ stammt aus diesen Jahren. Dieses aggressive Vorgehen brachte die Stämme an den Rand des Untergangs. Im Vorfeld des drohenden Konfliktes mit Mexiko eroberte man den Süden (Texas, Kalifornien und Teile der späteren Staaten New Mexiko und Arizona) und damit verdrängte man auch dort die Indianerstämme. Im Krieg 1846/48 wurde im Süden der Rio Grande die Grenze zu Mexiko. Andere, innere Probleme bescherten den USA den Bürgerkrieg. Wieder kämpften auch Indianer auf beiden Seiten als Scouts und Irreguläre. Nach dem Krieg stellte die USA eine Neue Kavallerie-Truppe aus den entwurzelten und entmenschten Veteranen des Bürgerkriegs auf und nun hatte man Zeit sich dem Indianerproblem voll zuzuwenden. Die Prämisse war: Die Rothäute nutzen ihren fruchtbaren Boden ja doch nicht, das Gold in ihren Bergen und andere Bodenschätze ebenso nicht.
Also wurde gelogen, betrogen und gemordet. Verträge wurden gebrochen, ehe noch die Tinte trocken war. Gründe lieferten oft genug Provokationen von zwielichtigen Händlern oder Desperados und willige Häuptlinge unterschrieben so ziemlich alles, was man ihnen vorlegte. 1869 wurde die erste transnationale Eisenbahnverbindung fertig gestellt. Damit hatten die Indianer ihre letzten Chancen verloren.
So nebenbei verringerte man durch gezielten Massenabschuss der Bison-Büffel von der Eisenbahn aus, die in Millionen vorkommenden Tiere auf wenige Hundert. Damit war die Lebensgrundlage der Präriestämme zerstört.
Die einzelnen, wenig erfolgreichen Angriffe auf das „Feuerross“ oder „Das eiserne Pferd“ dienten letztlich nur als Filmvorlage im späteren Hollywood. Alaska wurde zugekauft und im Nordwesten durch Verträge (mit vorgehaltener Pistole) das Land vergrößert. Die gleiche Vorgehensweise, wie zu Anfang des Jahrhunderts, als man von Frankreich Lousiana „kaufte“. Einen Landstrich vom Golf bis zu den Grossen Seen – nahezu der gesamte Mittlere Westen. Der letzte große Schlag gelang den „tapferen“ Truppen 1890 am Wounded Knee, als man im Winter des Jahres einen kompletten Stamm mit Gatling-Kanonen (einem Vorläufer des MG) zusammenschoss und die wenigen Überlebenden in Missionsstationen Tage später ablieferte. Ein Denkmal erinnert dort heute an die 26 toten US-Kavalleristen und an ihren „tapferen“ Anführer, einen gewissen Fritz Hecker. Das diese durch eigenen Beschuss eben der Gatling- und Hotchkiss-Kanonen umkamen … wen interessierte das nachher. Erst 1990 durften die Nachfahren die Toten-Zeremonie feierlich begehen. Ebenso wie damals wütete ein Schneesturm.
Aber es gab auch erste Hilfsorganisationen wie die Indian Friendship Society.
Menschen aus allen Gesellschaftsschichten versuchten das Gewissen der Nation wachzurütteln, mit mäßigem Erfolg wie wir heute wissen. Sitting Bull z.B. wurde vor seinem Zelt von einem bezahlten Indianerpolizisten seines eigenen Stammes ermordet. Vorher war er mit dem größten Zerstörer indianischer Lebensräume Buffalo Bill Cody auf Welttournee, um der Welt die Indianer in Zirkusshows vorzustellen. In Deutschland bei Hagenbeck! Für die USA war er immer der Wilde, der Custers Regiment am Little Big Horn weitestgehend vernichtete. Damit Staatsfeind.
Später um die Jahrhundertwende entwarf man noch andere Ideen, die indianischen Einwohner zu vernichten. Kinder wurden willkürlich weg gefangen und in „Missions“-Stationen ihrer traditionellen Kleidung und Frisur beraubt. Umerzogen, zu willfährigen Mitgliedern der USA, wurde ihnen beigebracht, wie unverschämt ihre Leute gewesen waren, sich einfach den Weißen entgegen zustellen. Erst im 21. Jahrhundert erinnerte man sich dieser Schandtaten in einem Hollywoodstreifen.
Nach dem 1. Weltkrieg wurden mit Hilfe der Pioniereinheiten weite Teile der Everglades-Sümpfe in Florida trocken gelegt, um extensiven Ackerbau zu ermöglichen. Die restlichen Seminolen, die vom 3. Seminolenkrieg übrig geblieben waren, mussten zusehen wie ihr Lebensraum immer mehr unter den Pflug kam. Erst Einwände weißer Naturschützer stoppten die Maßnahmen. Es war wohl zu spät, denn heute zeigen sich die Folgen im ganzen Gebiet. Der nach dieser Aktion eingerichtete Nationalpark Everglades ist jetzt durch akuten Wassermangel gefährdet. In den 1920er entwickelte man aus den Programmen der Viehzüchter – überlegene Rassen zu schaffen – ein Vernichtungsprogramm für Arme, Schwarze und Indianer. Zwangssterilisierung und radioaktive Bestrahlung von Indianerinnen bei Behördenbesuchen, sollte die Geburtenrate verringern. Überraschenderweise fand dieses Programm weißer Rassisten weltweites Interesse u. a. in Nazi-Deutschland. Weiterentwickelt und industriemäßig betrieben wurde es zu einem „Erfolg“, den die Erfinder während ihrer Informationsbesuche in Deutschland gebührend würdigten. Der Film vom „unwerten Leben“ wurde in den USA zum Kassen-Erfolg, bis er in den 50ern verschwand !?
Das Programm wurde in den 50er abgeblasen, die Zwangsterilisationen von IndianerInnen erst in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts.
1973 kam es in der Nähe vom Wounded Knee zu einer spektakulären Aktion.
Indianer der Lakota-Reservation meuterten gegen ihre „eigene“ Polizei im Reservat, sowie gegen Verwalter des Bureau of Indian Affairs. (BIA)
Der damalige Generalstabschef Alexander Haigh (späterer Außenminister und Vizepräsident) schickte zivil gekleidete Armee mit Panzern, Hubschraubern und Gas ! ! Es war ja kein Krieg.
Die Händlerfamilie des Reservates stellte sich freiwillig als Geiseln zur Verfügung. Anfängliche Medienerfolge der Indianer wurden rasch zunichte gemacht und die immer noch vorhandene Uneinigkeit untereinander, verhinderte einen Erfolg. Am Ende waren etwa 80 der Demonstranten tot (zumeist durch bezahlte Killer und FBI-Agenten ermordet) und 3 der Anführer zu lebenslänglich verurteilt. Der Gouverneur von Dakota erklärte damals öffentlich:
Man hätte sie in den Kopf schießen sollen, wie das früher üblich war!
Anfang der 90er Jahre verhinderte er einen Begnadigungsakt durch Präsident Bill Clinton. Aber dieses Mal kam es zu einer riesigen Solidarisierungswelle in den USA. Erstmals wurde sich mit den 371 gebrochenen Verträgen seit 1812 befasst.
Zu Beginn des 2. Irak-Krieges im März 2003 verkündete der Indianer Bund:
Unsere Bodenschätze wurden seit 1813 (der erste „rechtskräftige“ Vertrag) treuhänderisch verwaltet. Wir wissen, was „Treuhand“ bedeutet. Wir bekamen nichts und uns gehört nichts! Der Irak muss wachsam sein!
Jetzt zur Jahrtausendwende gibt es wieder 2,2 Mio. Ureinwohner, zum Großteil leben sie in Hüttensiedlungen, mit Alkohol und Drogen ruhig gestellt. Ohne Zukunft und bestenfalls als Theater-Kulisse für zahlende Touristen. Die „indianischen“ Kultgegenstände zum Verkauf, stammen durchweg aus fernöstlicher Massenproduktion. Dort sehen sie dann eine nahezu untergegangene Kultur, die sich angeblich wegen der so gerühmten physischen und psychischen Widerstandsfähigkeit der Indianer bis heute erhalten hat. Dabei ist die Lebenserwartung der Indianer die schlechteste in den USA – unter 50 Jahre – 70% der Reservats-Siedlungen sind ohne fließendes Wasser. Das Gesundheitsprogramm wurde von G.W. Bush jun. eingestellt. Das alles haben Generationen von Amerikaner und Einwanderer zu verantworten, die von Anfang an ausschließlich mit Gewalt „Gottes eigenes Land“ zu Eigen nahmen.
Gewalt, ein Prinzip während der Entstehung der USA, während ihrer Expansion in den Westen, Süden und Nordwesten. Gewalt in den Beziehungen zu Lateinamerika, Asien und letztlich der gesamten Welt. Man fragt sich, welche Traditionen die Menschen in den USA deformiert haben. Und dieses Land will der ganzen Welt mit missionarischem Eifer und angeblicher Hilfe Gottes (?) eine Freiheit bringen, wie sie sie verstehen. Demokratie und Menschrechte, die sie selber beliebig anwenden oder auch nicht.
Das ist eine alte Politik, nach der der Flagge immer der Way of Life zu folgen hat, ein Weg voller Tränen, Leid und ungezählten Toten.
Walter Bornholdt
Juni 2006 – anlässlich der Feier
40 Jahre DEFA – Indianerfilme